Zu hoch, zu gepresst, zu atemlos – viele Menschen sind unzufrieden mit dem Klang ihrer Stimme. Wir geben Tipps wie für eine bessere Stimme beim Sprechen.
„Mmmhhhm…“ Ich summe. Seufze. Meine Lippen vibrieren. Immer wohliger werden die Laute aus meinem Mund, immer lauter, immer tiefer mein Timbre. Am Ende brumme ich wie eine kleine Hummel, die sich gerade an einer Blüte satt genascht hat. „Mmmhhhm…“ Wenn mich meine Nachbarn jetzt hören, denken die bestimmt, ich synchronisiere im Home office heimlich unanständige Videos.
Mache ich nicht, liebe Nachbarn. Ich trainiere meine Stimme. Gewöhnt euch schon mal an die Geräuschkulisse. Vielleicht kommen noch andere Laute dazu. Lang gezogene „Üüühs“ oder „Jamjamjam“, als würde ich gerade einen Pfannkuchen verspeisen.
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Die Stimme als Botschafterin
Die ist einfach da, man macht den Mund auf, Laute kommen heraus, fertig. Aber ab und zu, wenn ich Sprachnachrichten aufnehme, kleine Vorträge halte, Interviews führe, spüre ich, wie meine Tonlage abrutscht. Nervosität legt sich wie ein enger Umhang um meine Stimmbänder, teilweise klinge ich quäkig. Ich mache seltsame kleine Zwischenjapser. Dabei träume ich davon, in jeder Situation souverän und tief zu klingen. So wie Hollywood-Star Scarlett Johansson. Im Film „Her“ verliebt sich Joaquin Phoenix allein in den Klang ihrer Stimme. Oder könnte ich nicht eine Tonlage wie Adele Neuhauser haben? Geht das?
Die Stimme zeigt unsere Gefühle, unsere Stärke, unsere Leidenschaft, sie kann fesseln, begeistern, Sympathie oder Antipathie wecken.
Vergleicht man Männer und Frauen anatomisch in Sachen Stimme, ist das in etwa so, als würde ein Kontrabass (großer Klangkörper, dickere Stimmbänder, dunklerer Ton) gegen eine Violine antreten. Interessant wird das Thema Stimmhöhe vor allem, wenn man sich mit den Wirkungen beschäftigt. So ergab beispielsweise eine Studie der University of Miami von 2012, dass Menschen mit tieferen Stimmen bei Wählerinnen und Wählern besser ankommen. Und ist es nicht häufig So, dass auch die Tonhöhe eine Rol le spielt, wenn einer Politikerin die Kompetenz abgesprochen wird? Die britische Premierministerin Margaret Thatcher hat sich ihren hohen Klang hartnäckig abtrainiert, um in der Politik überhaupt ernst genommen zu werden. Allerdings klang sie danach etwas blechern.
Immerhin wusste sie um die Bedeutung der Stimme. Nicola Tiggeler erzählt mir, dass viele Frauen sich zwar perfektionistisch mit den Inhalten beschäftigen, die sie vermitteln wollen, oder stundenlang mit Outfit und Make-up. Aber selten mit der Stimme. Dabei kann man mit wenigen Stellschrauben schon sehr viel verändern. Das ist nicht viel Arbeit.
Gerade hinstellen. Beim Sprechen am Telefon herumlaufen, wenn das möglich ist. Oder zumindest die Füße fest auf die Erde stellen. Sich aufrichten, sodass der Atem fließen kann.. Gut, dass sie nicht sieht, wie ich bei Telefonaten meist über dem Tisch hänge, die Beine verknotet, die Schultern gebeugt. Kein Wunder, dass ich dabei gequetscht klinge.
Der zweite wichtige Punkt, die sogenannte Bauchatmung. Viele atmen nur bis in die Brust, mit der sogenannten Hochatmung, und bekommen so zu wenig Luft. Bauch einziehen, Shapewear tragen, all das bremst unsere Atmung aus. Auch da fühle ich mich ertappt, ich schnüre mir gern etwas um die Körpermitte, damit sie dünner wirkt. Meine Gesangslehrerin hat immer gesagt: entweder flacher Bauch oder schöne Stimme.
Für die Bauchatmung braucht man das Zwerchfell, und das muss ich erst mal bei mir suchen – keine Ahnung, wo das liegt. Es sitzt am oberen Bauch, unterhalb der Rippen. Man spürt es, wenn man komische Dinge macht, etwa versucht, mit einem „Fff“-Laut eine Kerze auszublasen. Oder ein Geräusch von sich gibt, als würde man Hühner verscheuchen. Als lustige Morgenroutine zum Beispiel. Der Körper muss sich wieder an diese Art von Atmung gewöhnen. Dann holt er sich genau die Menge Atem zurück, die wir beim Sprechen verbraucht haben. Und die Schnappatmung ist passé.
Den eigenen Ton finden
Natürlich sind auch die lustvollen „Mmmhhhms“ ein wichtiger Teil meines Trainings. „Mmmhhhms“ und „Jamjam“-I „-Laute wecken die Stimme auf. Und sind sehr zu empfehlen vor wichtigen Besprechungen. Aber das Herumgesumme hat noch einen anderen Zweck. Auf diese Weise findet man seine eigene, perfekte Tonhöhe, man summt sich quasi auf sie ein. Mein natürlicher Tonlevel ist erstaunlicherweise gar nicht hoch. Sondern klingt angenehm. Eine entspannte Stimme ist immer eine tiefe Stimme. Einfach mal ausprobieren: “Mmmhhhm“ summen, Hand auf den Brustkorb legen. Vibriert der schön vor sich hin, hat man seinen individuellen Ton gefunden.
Eine Scarlett Johansson, merke ich, werde ich nicht mehr. Aber cooler und relaxter hört sich mein Organ bereits nach wenigen Übungen an. Um den Effekt zu checken, nehme ich im mer wieder Wortpassagen auf, schließlich höre nur ich mich von innen, alle anderen nicht. Und so ein Aufnahmegerät lügt nicht. Wir sollten unsere Stimme frei lassen. Das ist die beste Art von Persönlichkeitsentwicklung, die man machen kann. Und vor allem macht es Spaß! Nach mehreren Runden Summen bin ich ganz ihrer Meinung. Jason Momoa, du darfst gern noch mal anrufen!
Tipps für eine bessere Stimme
Füße auf den Boden
Je aufrechter wir uns halten, umso klangvoller die Stimme. Deswegen auf einen festen Stand auf der Erde achten und den Körper entspannt aufrichten.
Hühner scheuchen
Mit Kch, kch-Lauten trainiert man sein Zwerchfell und damit die Bauchatmung. Immer mal wieder in den Alltag einbauen.
Unter der Dusche singen
Oder im Auto oder beim Kochen mitsummen. Die Stimme wird entspannter und lässiger, man findet seine eigene Tonhöhe besser.
Ausatmen
Mittel gegen akuten Stress: Pausen machen, bewusst ausatmen, langsamer sprechen. Bei Telefongesprächen oder Videocalls kann man sich einen Post-it hinkleben, um sich selbst daran zu erinnern.
Ruhe bitte, Aufnahme!
Wir hören uns anders als die anderen – deswegen immer mal wieder mit einem Voice recorder per Smartphone überprüfen, wie man klingt.